Auf Einladung der Evangelischen Akademie zu Berlin haben Kurator Gerhard Hannenheim und Presbyter Horst Massier an der „Begegnungstagung für Ehrenamtliche in der Gemeindeleitung“ unter dem Motto: „GEMEINDE LEBEN. Vielfalt achten“ teilgenommen. Die Tagung fand in Breslau/Wroclaw – Polen zwischen 5. und 9. November statt. Teilnehmer waren insgesamt 29 Personen aus Deutschland, Polen, Österreich, Schweden, Lettland, Litauen, Rumänien und der Ukraine, davon 4 in der Tagungsleitung u.zw. Dr. Tamara Hahn-Studienleiterin in der Ev. Akademie zu Berlin, Felix Doepner und Verena Wache aus Deutschland sowie Maryna Los aus der Ukraine. Als Ehrengäste hielten Referate der scheidende Bischof der Diözese Wroclaw, Dr.Ryszard Bogusz sowie der altverdiente Mitstreiter der evangelischen Kirche Polens, Dr. Janusz Witt. Tagungsort war der Gemeindesaal der Kirchengemeinde, neben der barocken evangelischen Hauptkirche, der ehemaligen Hofkirche Breslau. Die vorzügliche Organisation und herzliche Betreuung erfolgte seitens der Breslauer Kirchengemeinde, vertreten durch Frau Grazyna Foltyn.
Die Tagung begann mit einer Vorstellungsrunde, wobei sich ergab, daß ein gut Teil der Teilnehmer von evangelischen Kirchen in Ländern mit anderen Mehrheitskonfessionen (katholisch, orthodox) kamen, ähnlich wie die unsere. Die Kollegen bekundeten ihre Verwunderung, daß es in Rumänien eine evangelische Kirche A.B. mit deutscher Verkündigungssprache gibt. Es gab eine allgemeine Aussprache zum Thema Toleranz und Vielfalt. Zum Abschluß des ersten Tages wurde eine Andacht an der Statue von Dietrich Bonhoefer gehalten, der gebürtiger Breslauer war.
Am zweiten Tage hielt Bischof Bogusz einen Vortrag über die „Evangelisch Augsburgische“ Kirche Polens und antwortete freundlichst auf verschiedene Fragen. Die Verwaltung der Kirche ist in 6 Diözesen gegliedert, ähnlich unseren Bezirken, an derer Spitze je ein Bischof steht, der alle 10 Jahre gewählt wird. Die Benennung Diözese wurde von der katholischen Mehrheitskirche übernommen. Ein ebenfalls auf 10 Jahre gewählter Oberbischof koordiniert die 6 Diözesen Pommern, Breslau, Südschlesien, Teschen, Warschau und Masuren. Die Anzahl der Mitglieder beläuft sich landesweit auf rund 70.000, wobei ein Großteil auf die geographisch kleinste Diözese Teschen, an der Grenze zu Tschechien, fällt. Die Umgangssprache in der Kirche ist polnisch, es gibt aber auch Gemeinden mit deutscher Verkündigungssprache-so die Christophori-Gemeinde Breslau und zwei weitere Gemeinden in Stettin. Bischof Bogusz bekleidete sein Amt in der Diözese Wroclaw in 2 Mandaten und übergibt nun, nach den letzten Wahlen, diese Würde im Dezember seinem Nachfolger Waldemar Pytel. Die Diözese Wroclaw hat etwa 4.000 Seelen und 17 Pfarrer. Weibliche Pastoren sind zwar im Gespräch, jedoch noch nicht anerkannt. Frauen sind nur als Diakone zugelassen, ohne Recht auf Abendmahlssegnung und Verwaltung. Es besteht ein evangelisches Martin Luther-Zentrum für Dakonie und Bildung auf einer Fläche von 5.000 m² , mit Hilfs- und Pflegeeinrichtungen für Bedürftige und Behinderte sowie Schulen mit besonderer Ausrichtung (Arbeitsvorbereitung, Förderung des Unternehmergeistes, Bildung und Erziehung für geistig Behinderte, Berufsschulen). Im Schulwesen gibt es 2 Kindergärten, 9 Grundschulen (davon 1, in der auch in deutscher Sprache unterrichtet wird), 1 Untergymnasium und 2 Obergymnasien (Lyzeen) mit Abitur,1 private Hochschule. In der Betreuung gibt es 2 Altenheime für insgesamt 105 Insassen, 7 Sozialstationen zusammen mit dem Johanniter-Orden. Im Sommer werden Kinderlager organisiert. Es bestehen 3 Kirchenchöre.
In Breslau gibt es ein „Viertel der gegenseitigen Achtung“, in welchem 4 unterschiedliche Kirchen nebeneinander in bestem Einvernehmen funktionnieren (christlich katholisch, evangelisch, orthodox,und jüdisch).Herr Witt leitete einen Besuch in diesem Viertel.
Jeder Tag begann mit einer Morgenandacht in der Hofkirche und endete mit einer Abendandacht. Es wurden Themen wie „Zwischen Wahrheitsanspruch und Respekt für Vielfalt“, „Evangelische Kirche im katholischen Polen: eine Mutmachgeschichte“, „Bibelarbeit zum Buch Ruth“, „Vielfalt in der Gemeinde leben und respektieren“ von den Referenten vorgetragen und anschliessend in Gruppen bearbeitet.
In Begleitung von Herrn Witt gab es eine Besuchsfahrt (etwa 40 km) zu der Friedenskirche Schweidnitz – eine wunderschöne Holzkirche mit Fassungsvermögen von 7.500 Personen- und der internationalen Jugend-Begegnungsstätte Kreisau. Dieses ist nach der Wende in dem ehemaligen Rittergut der Familie von Moltke durch die Stiftung Freya von Moltke eingerichtet worden. Herr Witt erzählte mit bewegenden Worten von der Deutsch-Polnischen Versöhnungsmesse, welche am 12.November 1989, 3 Tage nach dem Fall der Berliner Mauer, im Beisein des deutschen Bundeskanzlers Kohl und des polnischen Ministerpräsidenten stattfand und an der er persönlich teilgenommen hat.Es wurde der Widerstandsbewegung „Kreisauer Kreis“ um Helmuth James von Moltke gedacht,der 1944 verhaftet und Anfang 1945 hingerichtet wurde.
An den Abenden leitete Frau Grazyna interessante Besichtigungen der wunderschönen und mustergültig restaurierten „Stadt der 100 Kirchen und 100 Brücken“.
Die Tagung hatte ihren Ausklang mit einem deutschsprachigen Gottesdienst in der Christophori-Kirche zusammen mit der dortigen Gemeinde.
Die Zeit bis zu unserem Abflug nutzten wir für weitere Besuche von Sehenswürdgkeiten, darunter das alte Rathaus, den katholischen Dom, die Peter und Pauls-Kirche, die Jahrhunderthalle sowie eine musealische Ausstellung im ehemaligen Schloß.
Es war ein beeindruckendes Ereignis, für das wir den Veranstaltern dankbar sind.